Nobuyoshi Araki – banaler Voyeurismus oder große Kunst

04.02.2019

Die Ausstellung Impossible Love – Vintage Photographs bei C/O Berlin formuliert ein klares Statement.

Zwischen Pornografie und großer Kunst

Araki ist in den letzten Jahrzehnten insbesondere mit seinen Bildern von gefesselten Frauen in den großen Museen der Welt gezeigt worden. Diese Arbeiten werden immer schon kontrovers diskutiert. Zwischen Pornografie und großer Kunst wechseln die Bewertungen, die berühmte Wahrheit, die irgendwo in der Mitte liegt, gibt es hier nicht. Die Vehemenz dieser Debatte steigert bis heute den Ruhm, besser die Popularität des Fotografen.
Doch wie bei so vielen Künstlern wäre es auch bei Araki grundverkehrt, sein Schaffen auf eine einzige, populäre Werkgruppe zu reduzieren. Bis heute sind in über 50 Jahren freier künstlerischer Fotografie hunderte von Fotobüchern entstanden, von denen die allermeisten außerhalb Japans noch nie gesehen wurden.

Dafür zeichnen in erster Linie die hiesigen KuratorInnen und KritikerInnen verantwortlich. Araki selbst hat sich nie in die Auswahl der Exponate eingebracht. Umso bemerkenswerter erscheint die Auswahl der Arbeiten, die für die Ausstellung Impossible Love – Vintage Photography bei C/O Berlin von Kurator Felix Hoffmann getroffen wurde. Erstmals in Deutschland zeigt Hoffmann die frühen Serien Arakis, etwa die Bildpaare des Fotobuches Tokio, die Serie Theater of Love oder die Reihen Sentimental Journey und Winter Journey. Mit den Aufnahmen der 60er Jahre bis 1990 offenbart sich die große Qualität des Fotokünstlers Nobuyoshi Araki, der einen distanzlosen, vertrauten Blick in die Welt wirft. Im Text zur Ausstellung heißt es richtig: „Die extreme Nähe und Vertrautheit zu den dokumentierten Personen und Situationen machen Arakis Fotografien bis heute einzigartig und revolutionär.“ Die große Subjektivität im Blick der Kamera Arakis, der jede Distanz zum Objekt aufgibt, um zu dessen Wesen vorzudringen, stellt ihn als Zeitgenossen neben Nan Goldin, Larry Clark oder Duane Michals. Bis hierher ist der Besuch der Ausstellung ein Muss und ein unvergessliches Erlebnis. Die Frage ‚Sexist oder Künstler‘ hat sich vorbehaltlos in Luft aufgelöst.

Der zweite Ausstellungsteil beginnt mit einer Reihe von Tableaus aus dem Jahr 2018. In großen Rahmen versammelt Araki jeweils eine Anzahl von Polaroid Aufnahmen. Es erscheint wie ein Versuch des Künstlers, der ein Jahr zuvor schwer erkrankte und einseitig erblindete, seinem sicher unermesslich großen Archiv eine innere Struktur oder Ordnung zu verleihen. Beim Schlendern entlang dieser Wand wird die breite Palette seiner Motive deutlich. Es offenbart sich die besondere Bildsprache Arakis, oft klassisch komponiert und doch mit dem spontanen und unmittelbaren Duktus eines dokumentierenden Schnappschusses. Das Ende der Show zeigt ungerahmte, großformatige Fotomontagen mit Himmelsausschnitten und große Drucke inszenierter Bilder mit Puppen und Blumen der letzten zwei Jahre. Noch tief beeindruckt von den frühen Arbeiten, haben wir zwischen diesen neuen Werken vergeblich nach einem tragenden Anschluss gesucht. Noch nie habe ich im Œuvre dieses Künstlers große Prints gesehen, die es mit der – inhaltlichen – Schärfe und Intensität seiner Kleinformate aufnehmen konnten. Der etwas schale Gedanke an ein müdes Spätwerk kommt auf und dieser Eindruck wird leider durch das Filminterview mit Araki von 2016, das vor Banalitäten trieft, nur bestätigt.
Man kann Kurator Felix Hoffmann nicht genug dafür danken, einen gründlichen Blick auf Arakis Œuvre geworfen zu haben. Das man in jedem Lebenswerk auch Schwächen erkennt, ist nicht anders zu erwarten und die Bewertung in Teilen immer subjektiv. Allein die frühen Bilderserien lohnen den Besuch der Ausstellung. Selten waren wir so gefangen von einer Fotoausstellung.

Nobuyoshi Araki
Impossible Love – Vintage Photographs
8.12.2018 – 3.3.2019
C/O Berlin
Hardenbergstrasse 22 – 24, 10623 Berlin